„Hauswirtschaft und Pflege sind die Säulen des Seniorenheims!“

Ursula Neugebauer, Vizepräsidentin des Berufsverbands Hauswirtschaft.

Früher hatten Heimleiter vor allem die Ressource „Pflege“ im Blick. Inzwischen rückt auch die Hauswirtschaft in den Fokus – also die Wäsche, die Verpflegung, die Reinigung, das Ambiente, das ein Heim erst zum Zuhause macht. Alle Punkte sind auch das Metier von Ursula Neugebauer*. Sie ist Vizepräsidentin des Berufsverbands Hauswirtschaft und kennt die Themen, die Hauswirtschafterinnen beschäftigen.

Auf den Tagungen des Berufsverbands Hauswirtschaft kommt zur Sprache, was Hauswirtschaftsleiterinnen oder -Leiter, von denen viele in Seniorenheimen arbeiten, umtreibt. Welche Themen sind das derzeit?

Ursula Neugebauer: Tatsächlich kommt der größte Teil der Hauswirtschafterinnen, die bei uns Mitglieder sind, aus den Altenheimen. Viele arbeiten aber auch in Krankenhäusern, einige in Behindertenwerkstätten oder Jugendheimen. Interessant für mich war, wie stark auf dem vergangenen Treffen das Thema Trockenreinigung diskutiert wurde. Beim Trockenreinigen geht es darum, in Heimen und anderen Versorgungseinrichtungen nicht überall und immer nass zu reinigen. In Gemeinschaftsräumen, Essräumen und auch in den Zimmern der Heimbewohner ist es möglich, die Zwischenreinigung trocken mit staubbindenden Tüchern vorzunehmen. Ein solches Staubbindetuch zieht den Staub wie ein Magnet an. Hinterher werden die papierähnlichen Tücher entsorgt.
Das „Wischverfahren ohne Flüssigkeit“ oder „die staubbindende Reinigung von Bodenbelägen“ wie es fachsprachlich heißt, ist im Klinikum Freiburg getestet und wissenschaftlich begleitet worden. Dabei wurde auch die wichtige Frage beantwortet, ob die Methode den hygienischen Anforderungen entspricht. Das Projekt in Freiburg belegt, dass eine Trockenreinigung in bestimmten Zyklen und Zonen auch unter hygienischen Aspekten funktioniert. Natürlich werden Bäder oder Toiletten immer nass gereinigt! Das große Interesse an dem neuen Verfahren ist der Tatsache geschuldet, dass Heime immer mehr dem Druck der Ressourcen-Knappheit ausgesetzt sind. Trockenreinigen kann die anstrengende Arbeit der Reinigungskräfte erleichtern und verbindet Sauberkeit und Umweltfreundlichkeit.

Wie sieht es mit der Wertschätzung der Hauswirtschaftsleiterinnen heute aus?

Ursula Neugebauer: Das Bild divergiert. Es gibt immer noch Hauswirtschafterinnen, die sitzen im Keller, ohne Tageslicht und ohne Computer. Der andere, größere Teil hat sich den Platz erobert, der ihrer Bedeutung entspricht: Die Hauswirtschaft bildet das Herz eines Heims, oder anders ausgedrückt: Eine Pflegeeinrichtung steht immer auf 2 Säulen: der Pflege und der Hauswirtschaft. Die Hauswirtschaft sorgt dafür, dass sich die Bewohner im Heim wohlfühlen können. Wenn der Duft des frisch gebackenen Apfelkuchens durch die Gänge zieht oder die Wäscherei im Haus noch schnell den Lieblingspulli für den angekündigten Familienbesuch organisiert, dann ist es das Werk der Hauswirtschaftsleiterin und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die positive Ausstrahlung eines Heimes sorgen. Kurz gesagt: Hauswirtschaftsleiterinnen haben die Marketing-Faktoren eines Heims in der Hand! Denn wenn die Töchter oder Söhne sich nach einem Platz für ihre Eltern in einem Heim umschauen, spielen Themen wie das tägliche Backen oder das Inhouse-Waschen in einer Einrichtung eine wichtige Rolle. Deshalb werbe ich für eine neue Sichtweise: Die Hauswirtschaft sollte nicht als Kostenfaktor betrachtet werden, sondern als der ausschlaggebende Faktor, ob ein Heim in die engere Wahl für einen Einzug eines neuen Bewohners kommt. Natürlich ist die Pflegeseite genauso wichtig, aber sie wird oft als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Am besten läuft es, wenn Pflege und Hauswirtschaft Hand in Hand arbeiten. Das bekommen einige Heime auch schon richtig gut hin.

Warum betonen Sie den Wohlfühlfaktor eines Heimes so stark? Sind freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht das Wichtigste?

Ursula Neugebauer: Ja, aber es ist schade, wenn in einer sterilen Umgebung Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft die einzigen Lichtblicke für Heimbewohner sind. Sich dem Umfeld der Heimbewohner zu widmen und es in Richtung Wohnlichkeit zu verbessern, ist eine wichtige Aufgabe der Hauswirtschaft. Ich arbeite in einem Unternehmen, das derzeit ein Projekt unter dem Namen Curabelle durchführt. Ziel ist hier die Seniorenzimmer wohnlich und wie Zuhause zu gestalten.
Es ist durchaus möglich, sich an Gesetze und Vorschriften zu halten und trotzdem ein angenehmes Klima in den Wohnbereichen zu erzeugen, z.B. mit Teppichböden in den Wohnzonen, mit Bildern, die helfen Geräusche zu dämmen etc. Und auch die Zeiten von Krankenhauswäsche sind vorbei! Zuhause freuen wir uns ja auch an farbig wechselnden Bettbezügen. Im Bereich Wohlfühlfaktoren lässt sich noch einiges in der Landschaft von Seniorenheimen und Wohngruppen verbessern. Schön ist, dass dies immer mehr Heimleitungen erkennen.

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Inhouse-Wäscherei, gibt es einen Trend zur Inhouse-Wäscherei in Seniorenheimen?

Ursula Neugebauer: In letzter Zeit habe ich viele Häuser besucht, um einen Blick auf Prozesse und Ablauforganisationen zu werfen. Meiner Einschätzung nach halten sich Inhouse-Wäschereien und das Wäsche-Outsourcing (Mietdienstleister) die Waage. Meist wird ein Teil der Wäsche wie Bettwäsche und Frottee zum Wäschedienstleister gegeben. Für Einrichtungen wird es immer schwieriger für eigene Wäsche einen Lohnwäscher zu finden. Viele Wäschereien wollen nur noch die Dienstleitung komplett, sprich mit Mietwäsche, erbringen. Das ist für sie lukrativer. Dies entspricht aber oft nicht der Vorstellung vieler Einrichtungen. Sie möchten lieber selbst ihre Bettwäsche, Handtücher etc. aussuchen und Qualitäten bestimmen.
Mietwäsche ist sehr verbreitet, also wenn der Wäschedienstleister Flach- und Frotteewäsche stellt. Die Inhouse-Wäscherei kommt den individuellen Wünschen mehr entgegen. Verbreitet ist auch die Auffassung, dass das Outsourcing immer die günstigere Lösung ist. Doch hier sollte die Heimleitung sehr genau rechnen. Wer die Zahlen und Fakten nicht genau kennt – etwa Wäschevolumen, -Umlauf oder Sonderthemen – wundert sich später, wenn die Kosten für die Mietwäsche nicht im verhandelten Rahmen bleiben. Wichtige Kriterien wie Bewohnerzufriedenheit, Nachhaltigkeit und Qualität – also Punkte, die schwer in Geld zu bemessen sind – sind für die Entscheidung mindestens genauso wichtig wie die Wirtschaftlichkeit und müssen berücksichtigt werden!

Sie haben bei Ihren Besuchen von Senioren-Wohngruppen den Eindruck gewonnen, dass viele mit Haushaltswaschmaschinen waschen?

Ursula Neugebauer: Ja, in vielen ambulant betreuten Wohngruppen, die ich besuchte, standen Haushaltswaschmaschinen und -trockner. Da die Wohngruppen nicht dem Heimgesetz unterliegen, gilt auch nicht die Maschinenrichtlinie, die in gewerblichen Bereichen anzuwenden ist. Wenn ich danach fragte, was getan wird, wenn z.B. der Norovirus ausbricht, stellte ich fest, dass bei den wenigsten Wohngruppen ein Hygiene-Konzept vorhanden ist, wie mit solchen Situationen umgegangen werden sollte. In diesem Punkt herrscht noch ein großer Nachholbedarf.
Vielen ist auch nicht bewusst, dass Haushaltswaschmaschinen die notwendigen Temperaturen nicht lange genug halten, um zum Beispiel verkeimte Wäsche hygienisch sauber zu waschen. Dadurch kann ein hygienisches Risiko entstehen. Auch Wasch- und Trockenzeiten dauern bei Haushalts-Waschmaschinen viel zu lange und behindern den Betriebsablauf. Im Bereich der Spülmaschinen ist hingegen vielen klar, dass nur eine professionelle Spülmaschine die Anforderungen einer Wohngemeinschaft erfüllt. Wahrscheinlich scheuen Wohngruppen den Preisunterschied zwischen Haushaltswaschmaschine und Profi-Waschmaschine. Hier empfiehlt es sich für die Entscheider, gemeinsam mit Fachleuten (Hauswirtschaftsleitungen) Konzepte zu erarbeiten.
Die zweite Problematik, die viele Wohngruppenbetreuerinnen beschäftigt, ist das Wäschevolumen: Meist bringen die Wohngemeinschaftsbewohner ihre eigene Wäsche mit. Doch immer wieder stehen Betreuerinnen vor dem Dilemma, dass die Wäsche aus irgendeinem Grund nicht ausreicht. Ich empfehle hier immer einen der Gruppe angepassten, kleinen Wäschepool anzulegen. Die Zukunft wird zeigen, wie sich Wohngruppen-Modelle weiter optimieren lassen.

In einer alternden Gesellschaft entstehen immer mehr Wohngruppen. Ist es der ideale Weg?

Ursula Neugebauer: Wohngruppen erhöhen das Maß an Wohlfühlfaktoren, das ist keine Frage. Sie entsprechen dem Wunsch nach einem selbstbestimmten und aktiven Leben. Doch der Komfort der Altenwohngemeinschaft wird heute noch auf dem Rücken der Hauswirtschaftskraft ausgetragen. Sehr häufig erhält eine Betreuerin einen Stundenlohn unter 10 Euro, das heißt der derzeitige Mindestlohn von 8, 84 Euro wird gerade so eingehalten. Das entspricht in keiner Weise der verantwortungsvollen Aufgabe der Hauswirtschaftskraft in einer Wohngruppe. In diesem Fall sind die Pflegekräfte, die als Dienstleister in den Wohngruppen vorbeikommen, besser dran: Für Pflegekräfte gilt der Tarifvertrag oder Pflegedienstleister zahlen meist adäquate Gehälter, weil sie sonst kaum mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen könnten. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich sehe das Wohngruppenkonzept im Sinne eines „zweiten Zuhauses“ sehr positiv. Doch die schlechte Bezahlung der Wohngruppen-Betreuerinnen ist mir ein Dorn im Auge. Das heißt, die unmittelbaren Trägerinnen der positiven Strukturen von Wohngruppen – die Hauswirtschaftskräfte – werden unter Lohnaspekten nicht wertgeschätzt. Das muss sich ändern!

* Ursula Neugebauer, Vizepräsidentin des Berufsverbands Hauswirtschaft und bei Textilanbieter Kettelhack in der Kommunikation tätig.

Im zweiten Teil des Interviews im nächsten Hygiene-Newsletter berichtet Ursula Neugebauer, die bei einem Textilhersteller arbeitet, der noch in Deutschland fertigt, wie Textilien den Alltag von Heimbewohner verändern können und welche Zusammenhänge zwischen Textilien und Waschen beachtet werden sollen. Auch der Umweltschutz spielt dabei eine große Rolle.

Hier gehts zum Interview Teil 2