Das „Kleiderpapier“ der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH) dient Pflegeeinrichtungen hierzulande als etablierte Arbeitshilfe, um interne Anforderungen an die „Kleiderordnung“ zu formulieren bzw. umzusetzen. Für Ursula Neugebauer, Vizepräsidentin des Berufsverbandes Hauswirtschaft und 2. Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, sind diese Empfehlungen für die Pflegeheime jedoch nicht mehr zeitgemäß. Um die Gesundheitsgefahren für Heimbewohner und Mitarbeiter zu reduzieren, sollten Pflegeeinrichtungen in puncto Arbeitskleidung mit Krankenhäusern, die das Tragen von Arbeitskleidung vorschreiben, gleichgestellt werden.
„Gefühlt stellen im Westen Deutschlands nur etwa die Hälfte der Pflegeeinrichtungen ihren Mitarbeitern spezielle Arbeitskleidung“, betont Ursula Neugebauer. Je weiter man nach Süden kommt, desto mehr Heime kleiden ihre Mitarbeiter zwar ein, aber von einem flächendeckenden Einsatz „sind wir auch hier noch weit entfernt.“ Für die engagierte Hauswirtschaftsvertreterin ist dies „absolut unverständlich“. Denn dieses Vorgehen birgt erhebliche Gesundheitsgefahren für alle Beteiligten.
Denn Beschäftigte in der Pflege dürfen laut „Kleiderpapier“ der DGKH im Grunde jede Kleidung tragen, beispielsweise auch Privatkleidung wie Jeans, Pullover oder Blusen. Vorausgesetzt, die Kleidung besteht aus Baumwolle oder Baumwollmischgewebe und lässt sich bei mindestens 60 Grad Celsius oder mit einem desinfizierenden Waschmittel waschen. Zudem wird empfohlen, die Arbeitskleidung alle zwei Tage oder häufiger zu wechseln. Doch im Alltag, so Neugebauer, prüft das kaum ein Arbeitgeber. Auch nicht, ob die im Dienst getragene Privatkleidung nach Schichtende gewechselt wird. Die Gefahr, dass Kreuzkontaminationen entstehen ist damit sehr hoch. Viele Mitarbeiter sind nach der Erfahrung von Neugebauer leichtsinnig bzw. denken nicht daran, dass sie mit einer „unsauberen“ Trennung zwischen Privat- und Arbeitskleidung Krankheitskeime auch in ihr eigenes Zuhause schleppen – und umgekehrt. Heime, die ihren Mitarbeitern die Sorge um die Hygiene der Arbeitskleidung aufbürden, laufen also Gefahr, die Gesundheit ihrer ohnehin geschwächten Bewohner wie auch die ihrer Mitarbeiter und deren Familien zu gefährden.
Und selbst wenn Mitarbeiter in eigene Arbeitskleidung investieren und statt Bluse und Hemd Kasacks tragen, bleibt das Problem, einer möglichen Keimverschleppung, wenn die Wäsche nicht von der Einrichtung aufbereitet wird. Zudem ist der zeitliche Aufwand für die Mitarbeiter hoch, um die Kleidung hygienisch zu waschen, bemängelt Neugebauer, die im nächsten Satz gleich auf ein weiteres Hygieneproblem aufmerksam macht: Bestimmte Keime werden nur dann abgetötet, wenn die Wäsche bei über 90 Grad gewaschen bzw. ein chemisch-thermisches Waschverfahren mit entsprechenden Temperaturhaltezeiten eingesetzt wird. Übliche Haushaltsgeräte erreichen diese Temperaturen kaum, bzw. es fehlt die Sicherheit darüber, ob sie die Temperatur wirklich erreichen. Auch die erwähnten Haltezeiten kann eine Haushaltswaschmaschine nicht leisten. Desinfizierende Waschmittel aus dem Supermarkt zu verwenden, macht für die Expertin ebenfalls wenig Sinn. „Pflegeeinrichtungen, die ihre Mitarbeiter nicht einkleiden und für die hygienische Aufbereitung der Wäsche sorgen, stehlen sich aus ihrer Verantwortung“, kritisiert die gelernte Oecotrophologin. Zuschüsse für die Arbeitskleidung, sofern sie überhaupt gewährt werden, entlasten den Mitarbeiter zwar finanziell, aber nicht zeitlich. Auch das Problem der Kreuzkontamination lösen sie nicht.
Neugebauer hofft daher, dass der Gesetzgeber und auch die DGKH Pflegeheime bezüglich der Vorgaben zur Arbeitskleidung mit Krankenhäusern gleichstellt. Denn anders als noch vor zehn Jahren, als das „Kleiderpapier“ erstellt wurde, leben heute in Pflegeheimen vermehrt Menschen mit einem hohen Pflegebedarf. Heute andere Kriterien an die Hygiene der Arbeitskleidung anzulegen, als in Krankenhäusern, macht ihrer Meinung deshalb „überhaupt keinen Sinn mehr“. Im Gegensatz zu Pflegeheimen hat der Gesetzgeber für Krankenhäuser festgeschrieben, dass Mitarbeiter Arbeitskleidung tragen. Das „Kleiderpapier“ nennt Kurzarm-Kleid, Kurzarm-Kasack sowie Hose, die die gegebenenfalls getragene Privatkleidung wie T-Shirts vollständig bedecken müssen. Geregelt ist ebenfalls, dass die Arbeitskleidung in Kliniken vom Arbeitgeber gestellt wird. Und auch was die Aufbereitung betrifft, sind die Vorgaben unmissverständlich: Die Arbeitskleidung darf nicht im häuslichen Bereich gewaschen werden! In Krankenhäusern muss die Arbeitskleidung der Mitarbeiter mit nachgewiesen wirksam desinfizierenden Waschverfahren mit Mitteln aus der RKI- oder VAH- Liste aufbereitet werden. Und Haushaltswaschmaschinen sind laut „Kleiderpapier“ dafür nicht geeignet, da diese wie oben beschrieben, die Temperatur bzw. Temperaturhaltezeit nicht mit Sicherheit gewährleisten.
Die zusätzlichen Kosten, die die Heime für das Stellen und Aufbereiten der Kleidung stemmen müssten, halten sich ihrer Einschätzung nach im Rahmen. In vielen Altenheimen existieren oft noch eigene Wäschereien, die sowieso desinfizierend waschen. Und auch das Investment in die Kleidung selbst, wäre überschaubar. Poollösungen würden die Investmentsumme fast halbieren – anstatt fünf Kasacks würden dann beispielsweise drei für jeden Mitarbeiter genügen. Angesichts der beschriebenen Probleme und mangels gesetzlicher Vorschriften hofft sie auf eine zeitnahe Selbstverpflichtung der Pflegeeinrichtungen. Für sie kein abwegiger Gedanke, denn angesichts des großen Fachkräftemangels in der Branche würden Anbieter damit „die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter erhöhen und auch bei der Mitarbeitergewinnung punkten“.
Weiterführende Informationen:
Das Kleiderpapier:
https://www.krankenhaushygiene.de/ccUpload/upload/files/2016_09_Kleidung%20und%20Schutzausruestung_DGKH.pdf
Zum Unterschied zwischen Schutz- und Arbeitskleidung:
https://www.ppm-online.org/hygiene-arbeitskleidung-dient-der-infektionspraevention/