Interview Reinigung & Nachhaltigkeit mit M. Christine Klöber
Im Zeichen des Klimawandels, der mit dem Dürresommer 2018 auch in Deutschland sein bedrohliches Gesicht zeigte, stellen inzwischen immer mehr Menschen ihr eigenes Handeln auf den Prüfstand. Die Gebäudereinigung sollte man nicht außen vorlassen, sagt M. Christine Klöber, Expertin und Beraterin für hauswirtschaftliche Themen, im Interview.
Der Trend bei Reinigungstextilien geht zum Kunststoff. Ist das nicht bereits per se ein Problem für die Umwelt?
Klöber: Der Grund für den Trend zu Polyester- und Polyamidmischungen in Mikrofaserqualität liegt darin, dass Wischtücher und Mopps aus Kunststoff leistungsstärker als Mopps und Wischtücher aus Baumwolle sind. Der Nachteil ist, dass sich während ihres Einsatzes Mikrofaserpartikel aus den Wischtüchern lösen. Für das Wasser in Flüssen und Meeren ist das ein erhebliches Problem. Zudem beträgt die Verrottungszeit der Kunststofftextilien über 15 Jahre und eine Recyclefähigkeit zur Widerverwertung besteht nicht. Doch Mopps aus reiner Baumwolle haben zwei Nachteile: Nass oder feucht sind sie besonders schwer und damit ergonomisch für die Nutzer auf Dauer in der Anwendung anstrengend und kaum mehr tragbar. Außerdem ist ihre Leistungsfähigkeit lange nicht so hoch wie bei Reinigungstextilien aus Kunststoff.
Auch bei den Reinigungsverfahren kann man zwischen ökologisch oder weniger ökologisch entscheiden, oder?
Klöber: Ja, sicher! Und im Laufe der Zeit haben sich auch neue Erkenntnisse für den umweltfreundlichen Reinigungsbereich durchgesetzt: Es gibt neue ökologische Produkte und neue Herangehensweisen und Verfahren beim Reinigen, die ökologischer sind als bisher. Deshalb sollte jede und jeder immer wieder einmal sein Reinigungskonzept auf den Prüfstand stellen und überlegen, ob es noch an die Gegebenheiten des Hauses angepasst ist: Sind die Reinigungsintervalle noch zeitgemäß und sinnvoll? Ist die Methode noch richtig? Gibt es neue Geräte, die die körperliche Beanspruchung reduzieren? Ich sehe heute noch so manchen Reinigungswagen im Einsatz, dessen Ausstattung überholt ist und immer noch, dass Mitarbeitende die Reinigungstextilien auspressen müssen. Es wird dabei nicht berücksichtigt, dass die Belegschaft inzwischen gealtert ist und zugleich sehr innovative neue Geräte fürs Reinigen die Arbeit erleichtern können.
Können Sie ein paar Beispiele dafür nennen, wie man das Reinigen unter ergonomischen Aspekten optimieren kann und trotzdem den hygienischen Anforderungen nachkommt?
Klöber: Es würde schon helfen, wenn Reinigungskräfte mit vorgetränkten Tüchern arbeiten könnten, bei denen kein Auswringen mehr notwendig ist. Die Frage ist auch, warum überall großflächig gereinigt wird, obwohl z.B. auf einer Oberfläche vielleicht nur ein oder zwei Flecken zu finden sind, die man zu beseitigen hat. In solchen Fällen genügt es, den Fleck mit Wasser anzusprühen und punktuell zu entfernen. Das heißt, es geht um ein ergebnisorientiertes Reinigen und nicht um das Reinigen nach dem Gießkannenprinzip. Warum sollte das Zimmer eines Heimbewohners unter normalen Umständen fünf Mal in der Woche gewischt und vielleicht sogar noch desinfiziert werden? Das machen wir doch in unserer Wohnung auch nicht! Mein Eindruck ist: Wir übertreiben es in den Heimen oft mit der Reinigung. Und während Heime sich an vielen anderen Stellen bemühen, umweltfreundlich zu sein – z.B. mit dem papierfreien Büro oder der Abfallvermeidung in der Küche – wird der Bereich des Reinigens unter dem Blickwinkel der Umweltfreundlichkeit eher stiefmütterlich behandelt.
Warum eigentlich? Es ist doch zum Beispiel schon seit einigen Jahren bekannt, dass das Trockenreinigungsverfahren Hygieneanforderungen genügt und die Umwelt schont?
Klöber: Das ist richtig! Doch die Realität sieht leider anders aus. Das Trockenreinigungsverfahren, das richtig angewandt, den Reinigungskräften das Leben erleichtert und langfristig nicht nur Kräfte spart, sondern auch Zeit und Kosten, ist in der professionellen Reinigung noch immer eine Seltenheit. Dabei hat das Klinikum Freiburg den Nachweis geführt, dass die Trockenreinigung bei richtiger Handhabung dem permanenten Nasswischen vorzuziehen ist, die hygienischen Anforderungen erfüllt und zugleich die Oberflächen schont. Denn die Pflege von Böden gehört zwingend zur Reinigung. In unserer Beratungspraxis erleben wir, dass die Mehrheit der Einrichtungen noch immer nur auf Reinigung, nicht aber auf die Pflege der Materialen Wert legt. Unter dem Aspekt der Pflege würde es sich bereits nach kurzer Zeit auszahlen, in Maschinen zu investieren, die schneller und gründlicher reinigen können, aber auch für die Bodenpflege eingesetzt werden können. Auch für die Mitarbeitenden sind solche Anschaffungen ein Gewinn, weil sie Kräfte sparen und den Bewegungsapparat schonen und leicht zu handhaben sind. Deshalb empfiehlt es sich, immer wieder auf Messen wie der CMS Ausschau nach innovativen Entwicklungen für die Reinigung zu halten.
Es gibt verschiedene Level der Reinigung, wie ist damit umzugehen?
Klöber: Natürlich muss z. B. bei einem Noro-Ausbruch feucht gereinigt und desinfiziert werden. Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Hauswirtschaftsleitung, die die Reinigungs- und Desinfektionsstandards festlegt. Sie muss entscheiden, wann welche Art der Leistung notwendig ist. Dabei ist es sinnvoll, sich von dem übergeordneten Ziel leiten zu lassen, die Mittel – sei es zur Reinigung oder zur Desinfektion – zu reduzieren, soweit es geht. Das Robert Koch Institut hat z.B. ein Papier herausgegeben, das Tipps zur Reinigung und Desinfektion von Flächen gibt. Darin gibt die Institution auch zu verstehen, nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sondern punktuell zu desinfizieren. Prophylaktisches Desinfizieren wird als ein No Go angesehen. Ebenso wichtig ist es, Kriterien festzulegen, in welchem Fall welches Desinfektionsmittel einzusetzen ist. Selbstverständlich weiß eine Reinigungsverantwortliche auch, welche Wirkung mit welchem Mittel erzielt werden kann und muss.
Worauf ist zusätzlich zu achten?
Klöber: Es geht nicht allein um die Behandlung von Oberflächen und die Reinigungsmittel, sondern auch um die Reinigungstextilien. Sie müssen sachgerecht aufbereitet werden. Haushaltswaschmaschinen, wie sie oft in Wohngruppen von Alten- und Behinderteneinrichtungen eingesetzt werden, eignen sich für die professionelle Moppreinigung keinesfalls. Sie erbringen nicht mit der Sicherheit die Temperatur, die für das hygienische Waschen notwendig ist. Professionelle Mopp-Waschmaschinen sind auf die starke Verschmutzung von Mopps zugeschnitten und unterstützen den Waschprozess dabei, den aufgenommenen Schmutz richtig auszuspülen bevor der eigentliche Waschprozess beginnt. Waschprogramme für Mopps berücksichtigen auch, dass Mopps mit Reinigungsmitteln vorbelastet sind, wenn sie in die Waschmaschine wandern. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit einigen Profimaschinen nach dem Waschgang auch die Vorpräparation der Mopps erfolgen kann.
Vertragen sich Umweltfreundlichkeit und professionelles Reinigen überhaupt?
Klöber: Umweltfreundlich zu reinigen, lässt sich in ganz vielen Bereichen anwenden! Am umweltfreundlichsten ist das Reinigungsmittel Wasser. Ein Microfasertuch plus Wasser reicht sehr oft aus! Die meisten Flecken sind schließlich wasserlöslich – und wenn schon das Profituch, dann wenigstens super wenig Chemie. Ich demonstriere bei meinen Vorträgen manchmal, wie wirksam die Reinigung per Microfaser, selbst bei Fettflecken ist: Mein cremiger Handabdruck auf dem Fenster lässt sich damit ganz leicht entfernen. Nicht einmal ein Fensterreinigungsspray ist notwendig. Viele Reinigungsmittelhersteller stellen schon seit vielen Jahren wirksame umweltfreundliche Produkte her – auch für den professionellen Einsatz! Einige Umweltpreise zeugen davon. Und das Bundesumweltamt hilft zum Beispiel bei der Auswahl: https://www.umweltbundesamt.de/reinigungsdienstleistungen-mittel-0 .
Was ist mit Kombiprodukten, die reinigen und desinfizieren?
Klöber: Solche Kombipräparate sind meistens Blödsinn. Man sollte sich immer klar machen: Der Reiniger beseitigt den Schmutz. Das Desinfektionsmittel tötet Bakterien, Sporen oder inaktiviert Viren. Desinfektionsmittel sind nur in Fällen von Verdacht oder bestätigten Infektionskrankheiten einzusetzen. Die Regel heißt hierbei: Wo es keine Gefahrenlage gibt, ist auch kein Desinfektionsmittel zu verwenden. Selbstverständlich ist, dass hier die sogenannten Touch-Flächen eine Ausnahme bilden. Ein zweites Prinzip, das im Arbeitsschutzgesetz und auch in der Gefahrstoffverordnung gefordert wird, ist das Subsidiaritätsprinzip. Es lautet sinngemäß: Das am wenigsten „Schlimme“ bei der Auswahl eines Reinigungs- oder Desinfektionsmittels einsetzen, zum Schutz von Mensch und Natur.
Reinigen will gelernt sein – wie wichtig ist die kontinuierliche Schulung?
Klöber: Eine Hauswirtschaftsleiterin kennt die Prinzipien der Reinigung, wie welche Mittel und Umgebungsbedingungen zusammenspielen, wann welche Maßnahmen ein Muss sind und wann „Weniger mehr ist“. Doch dieses Wissen muss auch kontinuierlich in die Alltagspraxis einfließen. Nur wenn die Reinigungskräfte geschult sind, können sie auch umweltorientiert handeln. Die Vorstellung ‚da gebe ich jemand einen Lappen in die Hand und damit ist es getan‘, ist völlig daneben. Reinigen ist ein Profi-Handwerk! Das im Übrigen auch richtig bezahlt werden sollte. Und Reinigen muss gelernt sein. Dabei ist zu beobachten, dass manche Schulung freudlos und damit wenig wirkungsvoll abgehalten wird. Schulungen, die Spaß machen, sind am erfolgreichsten. Wenn während der Schulung, die Aha-Lämpchen aufgehen, ist viel erreicht.
Welche Aha-Effekte vermitteln Sie bzw. erleben Ihre Schulungsteilnehmenden immer wieder?
Klöber: Zum Beispiel: Ach so, wenn ich Säure- und Lauge-Mittel zusammenschütte, reagieren sie miteinander und es kann ganz gefährliche Mischungen für mich geben, oder sie erfüllen ihren Zweck nicht mehr. Oder: Reinigungsmittel bitte nur in handwarmes Wasser geben, keinesfalls in heißes! Denn sonst können schädliche Dämpfe entstehen, die die Schleimhäute angreifen. Auch der Sinner´sche Kreis ist für die Reinigung eine gute Richtschnur: Auf den vier Komponenten – Chemie, Mechanik, Temperatur und Zeit – baut das Wasch- als auch das Reinigungsergebnis auf. Die richtige Kombination der vier Komponenten hilft wirksam zu reinigen bei gleichzeitiger Schonung der Arbeitskraft, der Natur und Materialien.
Selbstcheck:
- Bietet mir mein Lieferant Reinigungsmittel mit Nachhaltigkeitszertifikat?
- Kann die Umverpackung recycled werden?
- Sind die eingesetzten Reinigungsmittel nicht wassergefährdend?
- Sind die eigenen Reinigungsmethoden ressourcenschonend?
- Durch den Verzicht auf aufwendige Grundreinigungen und Bodenbeschichtungen?
- Durch wenig körperliche Arbeitsbelastung für die Mitarbeitenden?
- Werden keine künstlichen Aromen und Duftsprays eingesetzt?
- Werden wassersparenden Reinigungsverfahren eingesetzt?
- Wird eine wirkungsvolle Dosiertechnik eingesetzt?
- Werden keine unnötigen Einmalhandschuhe verwendet?
- Wird Umverpackungsmüll vermeiden?
- Ist der Lieferrhythmus den Fahrstrecken angemessen?
- Sind ökologische Fußabdrücke von Produkten und Materialien bekannt?
- Werden alte Reinigungsmittelrestbestände sicher entsorgt?
- Gibt es ein Abfallsortierkonzept?
- Sind die Mitarbeitenden auf ressourcenschonendes Arbeiten geschult?
- Ist das Thema Nachhaltigkeit im Hauswirtschafts- Reinigungskonzept verankert?
- Ist das Thema Nachhaltigkeit im Einrichtungsleitbild fixiert?
Einige Reinigungstipps für den Normalfall:
- So wenig Chemie wie möglich – so viel wie nötig.
- Erste Frage: Wie hoch ist der Verschmutzungsgrad?
- Zweite Frage: Um welche Materialart einer Oberfläche handelt es sich?
- In welchen Intervallen ist eine Reinigung notwendig?
- Trockenreinigung erfüllt die hygienischen Anforderungen genauso wie Nassreinigung.
- Ergebnisorientiertes Reinigen spart Kraft, Reinigungsmittel und Zeit.
- Statt nach dem Gießkannenprinzip zu reinigen, individuell entscheiden, wie-wann-was zu reinigen ist.