Interview mit Jan-Peter Elsebach zu multiresistenten Keimen und ihre Abwehr
Der Mensch lebt mit zahlreichen Bakterien auf gutem Fuß. Doch einige von ihnen sind Krankheitserreger. Sie haben zwar durch die Erfindung des Penicillins ihren Schrecken weitgehend verloren, doch seit die leicht wandelbaren Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, steigen die Risiken für den Menschen wieder. Das Interview mit Jan-Peter Elsebach von Electrolux Professional, der seit kurzem staatlich geprüfter Desinfektor ist, zeigt, wo die Risiken liegen und wie man sich schützen kann.
Herr Elsebach, Sie sind jetzt staatlich geprüfter Desinfektor. Was ist mit dieser Rolle verbunden?
Jan-Peter Elsebach: Die Ausbildung zum Desinfektor ist sehr umfangreich und relativ einzigartig in unserem Raum. In der Schweiz gibt’s diese Form der Ausbildung beispielsweise gar nicht. Die Ausbildung bescheinigt einer Person die Fachkunde im Bereich Hygiene. Der staatlich geprüfte Desinfektor ist in der Lage, behördlich angeordnete Maßnahmen nach § 17 (3) Infektionsschutzgesetz durchzuführen. Der oder die Desinfektorin plant, berät und schult zu den Themen Hygiene- bzw. Desinfektionsmaßnahmen (siehe untenstehenden Textkasten) Die Ausbildung zum Hygienebeauftragten außerhalb von Kliniken ist dagegen in Deutschland etwas variabler geregelt. Schulungen zwischen zwei bis sechs Wochen führen zur geprüften Hygienebeauftragten. Die Ausbildung zum Desinfektor ist keine Voraussetzung für eine Hygienebeauftragte.
Frage: Wo liegen die Herausforderungen für die Heim-Hygiene?
Jan-Peter Elsebach: Die Hauswirtschaftsleitung hat – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Hygienebeauftragten – im ganzen Haus und in allen Bereichen dafür zu sorgen, dass Hygienestandards eingehalten werden. Das ist kein leichtes Unterfangen und eine umfangreiche Aufgabe. Sie lässt sich jedoch mit einer guten Planung und vorsorgenden Maßnahmen erfolgreich umsetzen. Dabei geht es zuallererst darum, die sogenannte Basishygiene einzuhalten. Dazu gehören:
- Die Händedesinfektion – damit ist fast schon die halbe Miete gewonnen, da die meisten Infektionen durch die Übertragung von Keimen über die Hände verursacht werden.
- Husten Niesen, Schnäuzen – dabei geht es nicht allein darum, die Mitarbeiter zu schulen. Es geht auch um die Schulung der Bewohner, die sich z.B. angewöhnen sollten, nicht in den Raum zu niesen, sondern in die Armbeuge, um so das Ansteckungsrisiko zu reduzieren.
- Arbeitsbekleidung und Schutzkleidungen – hier regelt unter anderem die TRBA 250, dass das Personal Schutzkleidung beim Umgang mit infektionsverdächtiger Wäsche tragen soll.
(Lesen Sie dazu auch das Statement von Ursula Neugebauer, warum es sinnvoll ist, dass Heimleitungen Berufskleidungen stellen.) - Flächenreinigung – wie und wie oft, mit welchen Mitteln werden Flächen und Räume gereinigt und desinfiziert?
- Wäscheversorgung – sie ist so zu organisieren, dass es z. B. zu keiner Kreuzkontamination kommt.
- Bettenhygiene – wie oft und wie Matratzen und Kissen hygienisch aufbereitet werden.
- Lebensmittelhygiene – muss dafür sorgen, dass in der Küche bei der Zubereitung und in den Essensräumen bei der Ausgabe alles hygienisch zugeht.
Seit einigen Jahren spielt der Begriff der Krankenhauskeime eine Rolle, zum Beispiel MRSA. Was verbirgt sich dahinter und wie entstehen solche resistenten Keime?
Jan-Peter Elsebach: MRSA ist die Abkürzung für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, das heißt, solchen Bakterien kann das Antibiotikum Methicillin nichts mehr anhaben. Zusätzlich treten heute vermehrt auch 3MRGN- und 4MRGN-Keime auf. Das sind multiresistente gramnegative Bakterien. Erstere sind gegen 3, zweitere gegen alle 4 Antibiotikagruppen resistent. Ärzten machen zusätzlich noch die ESBL-Bildner (Extended Spectrum β-Lactamasen) Sorgen, dabei handelt es sich um Bakterien, die Enzyme produzieren, die die Wirkung verschiedener Antibiotika mindern oder aufheben können, indem sie das Antibiotikum sozusagen „vertilgen“. Auch mit VRE haben Ärzte zu kämpfen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit fasst die Erklärung zu VRE so zusammen: „Die Abkürzung VRE steht für Vancomycin-resistente Enterokokken und bezeichnet eine als übliche Besiedler des Darms vorkommende Bakteriengattung (Enterokokken).“
Muss es nicht auch Heimen – und nicht nur den Ärzten – Sorgen machen, dass es heute so viele Antibiotika-resistente Keime gibt?
Jan-Peter Elsebach: In dieser Frage gibt es einen Unterschied zwischen dem medizinischen und dem Reinigungsaspekt: Die Medizin hat ein großes Problem, seit es Antibiotika-resistente Keime gibt (die übrigens der Erfinder des Penicillins schon vorausgesehen hat). Die Herausforderung für Ärzte ist bei MRSA oder MRGN, Menschen trotzdem zu heilen, die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Ein Heim sorgt sich sicher auch sehr um die Gesundheit seiner Bewohner. Aber das Heim hat hier die Rolle des Vorbeugens und Verhinderns. Schließlich hat die Desinfektion mit all diesen Keimen keine Probleme. Sie lassen sich mit üblichen Desinfektionsmitteln zerstören. Gerade hier liegt die große Chance für Hygieneverantwortliche und Heimleitungen: Mit gezielten hygienischen und desinfizierenden Maßnahmen, können sie die Keim-Verbreitung stoppen. Denn gegen chemische Desinfektionsmittel sind MRSA oder MRGN nicht resistent. Treten resistente Varianten der pathogenen Bakterien im Heim auf, muss ein Heim unter anderem nur die Basishygiene aufstocken. Das kann z.B. heißen, statt bloß zu kehren wird jetzt vielleicht desinfizierend gewischt oder die Wäsche öfters gewechselt. Im Heim ist demnach das vorsorgliche Handeln und Einhalten von Hygienestandards die vorrangige Aufgabe. Denn in der Umgebung des Menschen können die Keime relativ gut im Zaum gehalten werden, wenn man sich an der Basishygiene orientiert. Im Falle von Antibiotika-resistenten Keimen im Körper ist der Mensch darauf angewiesen, dass seine Abwehrkräfte es schaffen, die Keime niederzuhalten.
Wie bekämpft man Keime bzw. sorgt dafür, dass sie sich nicht verbreiten?
Jan-Peter Elsebach: Da gibts für die Verantwortlichen für Hygiene eine ganz klare Reihenfolge: Zuerst werden die Risiken festgestellt und die Gefährdungen beurteilt, um daraus eine Risikoanalyse zu entwickeln: Wo habe ich es mit Erregern zu tun? Wo überall treten sie auf? etc. Dann werden die Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip entwickelt. Das bedeutet: Technisch, Organisatorisch, auf das Personal bezogen. Ein gutes Beispiel ist die Wäscherei: Ich plane sie gleich so, dass der Schmutz- und Reinbereich baulich getrennt werden. Organisatorisch: Ich lege fest, wie die Wäsche transportiert wird, wie im Zimmer die Wäsche gesammelt wird und in welchen Sack sie sortiert wird – bis zu den desinfizierenden Waschverfahren. Personal: ich lege fest, wie mit dem Thema Arbeitsschutzbekleidung oder mit dem Impfschutz umzugehen ist und empfehle z.B. dass sich Mitarbeiter gegen Hepatitis impfen lassen.
Die Wäscheversorgung spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle, warum?
Jan-Peter Elsebach: Zu den hygienischen Vorsorgemaßnahmen gehört es, dass es auch nicht zu Kreuzkontaminationen kommen kann. Das heißt, es muss vermieden werden, dass Keime nicht von der Schmutzwäsche wieder auf die saubere Wäsche verschleppt werden. Wie schade wäre es – kaum ist die saubere Wäsche aus dem Trockner –, dass sich gleich wieder Keime oder Sporen auf ihr niederlassen können! Das passiert aber leicht, wenn es keine Trennung zwischen Schmutz- und sauberer Wäsche gibt. Schon beim Ausschütteln von schmutziger Kleidung können sich über die Luft beispielsweise Sporen verbreiten. Deshalb betont Electrolux Professional so stark, dass Wäschereien in zwei Zonen eingeteilt werden sollten, die durch eine Wand und Personalschleusen getrennt werden und in der auch die Luftströme so geführt werden, dass es zu keiner Kreuzkontamination kommen kann – bis zum getrennten Transport und der getrennten Lagerung von Schmutz- und sauberer Wäsche.
Die Reinigung übernimmt bei der Verhinderung einer Keimausbreitung eine ebenso wichtige Rolle, oder?
Jan-Peter Elsebach: Richtig! Bei der Reinigung ist das Prinzip der Trennung von Putzutensilien bis auf die Zimmer, Gemeinschaftsräume, Flure etc. herunterzubrechen. Da darf z.B. der Lappen mit dem desinfizierend aufgewischt wurde, nicht mehr in dem Wasser landen, mit dem gewischt wird. Da gibt es das Farbkonzept, das dafür sorgt, dass der Badezimmerbereich vom Wohnbereich getrennt gesäubert wird und so weiter. Und ganz wichtig: Die Reinigungskräfte und auch die Hauswirtschaftsleitung muss wissen, mit welchen Mitteln wo zu reinigen ist. Von welcher Bedeutung dieses Wissen ist, zeigen zum Beispiel die RKI-Richtlinien: Ganz am Anfang zählen sie die vier Wirkungsbereiche der Desinfektionsmittel auf, die in die vier Kategorien ABCD aufgeteilt sind. Die Kategorie A beseitigt Bakterien und Pilze, die relativ leicht abzutöten sind. Gegen sie wirken die meisten Desinfektionsmittel. Schwieriger sind Viren wie Noro- oder Rota-Viren zu inaktivieren, sie werden mit dem Desinfektionsmittel der Kategorie B angegangen. Hier wirken Viruzide, die einerseits gegen behüllte Viren vorgehen (begrenzt viruzid, da sie durch ihre Lipidhülle leichter angreifbar sind) sowie gegen unbehüllte Viren.
Noch schwieriger ist es, Sporen von Bakterien zu bekämpfen (wohingegen Sporen von Pilzen leicht abzutöten sind.) Sporen von Bakterien werden von bestimmten Bakterien in dem Moment als „Überlebensform“ ausgebildet, wenn die Umgebungsbedingungen für das Bakterium nicht mehr stimmen. C-Desinfektionsmittel nehmen es mit den aeroben Sporen auf. Anaerobe Sporen wie Tetanus lassen sich nur noch durch Sterilisation unschädlich machen.
Die Aufgaben eines Verantwortlichen für Hygiene scheinen kein Ende zu nehmen. Die Küche ist ein weiterer zentraler Ort, an dem Hygiene eine wichtige Rolle spielt. Auch Trinkwasser und Abwasser sowie Abfall sind Bereiche, die unter die Verantwortung eines Hygieneverantwortlichen bzw. einer Hygieneverantwortlichen fallen. Diese Themen behandeln wir in einem der nächsten Newsletter. Vielen herzlichen Dank für das informative Gespräch!
Welches sind die wichtigsten Themenbereiche, die ein Desinfektor behandelt bzw. bei denen er berät?
Das übergeordnete Ziel eines Desinfektors ist es, für Hygiene zu sorgen. Zur Basishygiene zählen die Händehygiene, die Arbeitskleidung, die Flächen- bzw. Raumreinigung, die Wäscheversorgung, der Abfall, das Trinkwasser und die Lebensmittelhygiene. Zur Ausbildung eines Desinfektors zählen auch die Historie, vertiefende Grundlagen der Mikrobiologie sowie die Frage, welche Erreger es gibt und mit welchen Desinfektionsverfahren sie bekämpft werden, also z.B. mit chemischen oder thermischen Verfahren etc. Außerdem werden die Wirkstoffe gegen Keime und Pilze usw. unter die Lupe genommen und die rechtlichen Bedingungen wie das Infektionsschutzgesetz, die Gefahrstoff- und Biostoffverordnung behandelt. Außerdem auch die RKI-Richtlinie: Dort werden u.a. Reinigungsverfahren beschrieben – bis zur Vernebelung von ganzen Räumen mit Wasserstoffperoxid bei hochinfektiösen Belastungen. Wichtig auch für viele Einrichtungen: der Hygieneplan inklusive Desinfektionsplan und Hautschutzplan. Auch Grundlagen zur Bettenaufbereitung und Trinkwasserprüfung z.B. auf Legionellen gehören zur Ausbildung. Wichtige Vorgaben für Hygiene im Gesundheitswesen befinden sich zudem in der TRBA 250, die die Biostoffverordnung konkretisiert und Aussagen trifft, welche Gefährdungsbereiche es gibt und welche Schutzkleidung in welchen Bereichen zu tragen ist. Die Maschinenrichtlinie ist ein weiterer Punkt und die sogenannte Tatortreinigung und Reinigung raumlufttechnischer Anlagen (RLT-Anlagen). Auch das Thema Schädlinge steht auf dem Schulungsplan, auch wenn der Desinfektor nicht selbst die Schädlinge bekämpft.