Das Statistische Bundesamt prognostiziert einen weiteren Anstieg der Pflegebedürftigen in Deutschland. Ihre Zahl könnte laut Bundesamt bis 2030 auf 3,4 Millionen wachsen – bei 2,8 Millionen Pflegebedürftigen Ende 2015. Seniorenheime wachsen mit – und auch die Messe ALTENPFLEGE, die seit Anfang der 1990er Jahre vom Vincentz Verlag organisiert wird. Das Interview mit Ina Füllkrug, Redakteurin von Pro Hauswirtschaft und CAREkonkret aus dem Vincentz Network, vermittelt Einblicke und Einsichten.
Frau Füllkrug, wie hat sich die Messe ALTENPFLEGE seit ihren Anfängen gewandelt?
Der Trend bei den Messen im Allgemeinen geht weg von der reinen Produktschau hin zu umfassenden Informations- und Austauschplattformen mit Event-Charakter. Dies findet sich natürlich auch auf der ALTENPFLEGE wieder: Mit ALTENPFLEGE Connect Verpflegung & Hauswirtschaft haben wir eine zentrale Bühne für den Austausch zwischen Ausstellern und Besuchern direkt in den Messehallen geschaffen. In Vorträgen, Diskussionsrunden und geführten Messerundgängen bekommt der Besucher umfassende Informationen zu den aktuellen Themen, die ihn in seinem beruflichen Alltag umtreiben.
Wie schätzen Sie den Markt und die Herausforderungen für Pflege- und Seniorenheime heute ein?
Die hohen gesetzlichen Vorgaben des Gesetzgebers fördern hauptsächlich ambulante Wohnstrukturen. Demzufolge wird es für stationäre Anbieter – wir reden hier von rund 13.000 Einrichtungen – immer schwieriger, wirtschaftlich zu agieren. Wer zukunftsfähig bleiben will, plant Angebotsstrukturen im Verbund: Der Mix aus ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten ist das Gebot der Stunde. Zudem erleben wir einen zunehmenden Konzentrationsprozess in der stationären Pflege. Insbesondere ausländische Investoren drängen auf den Markt. Das wird sich auch zukünftig weiter zuspitzen.
Hat das Thema Hauswirtschaft im Bereich der Pflege- und Seniorenheime eine größere Bedeutung als früher, warum?
Gerade vor dem Hintergrund der Haus- und Wohngemeinschaften, aber auch in allen anderen Einrichtungsformen der Altenpflege ist die Hauswirtschaft für die Sicherung der Angebote unverzichtbar geworden. Ich bezeichne die Hauswirtschaft gerne als eigentlichen Motor des Hauses. Als Profession, die sowohl für grundständige Versorgungssicherung als auch für eine fördernde und aktivierende Alltagsgestaltung steht, kann die Branche durchaus Selbstbewusstsein zeigen, da bin ich mit der Hauswirtschaftsexpertin Martina Feulner einer Meinung. Vielleicht gibt es noch Qualifizierungsbedarf, was die Auseinandersetzung mit einem Dienstleistungsverständnis anbelangt, das Eigenständigkeit fördern und gleichzeitig Sicherheit gewährleisten soll. Auf alle Fälle werden die engen Grenzen eines Dienstleistungsverständnisses, das lange Zeit auf standardisierte Prozesse in der Verpflegung, Reinigung und Wäschepflege reduziert und unter hohem Kostendruck umgesetzt werden musste, langsam aufgelöst.
Und eben weil wir die Hauswirtschaft als eine überaus wichtige Profession ansehen und sie unterstützen möchten, bringen wir seit etwa einem Jahr die Zeitschrift „Pro Hauswirtschaft“ heraus. Sie zeigt Lösungen, Trends und Impulse für Hauswirtschaftsleitungen in Altenpflege-Einrichtungen auf, indem sie funktionsspezifisches Fachwissen vermittelt, praktische Arbeitshilfen sowie Best-Practice und Benchmarks liefert. Das Themenspektrum reicht von den zentralen Bereichen wie Verpflegung, Reinigung und Wäscherei – also Konzepte und Prozesse – über Personal- und Qualitätsmanagement und hauswirtschaftliche Betreuung bis hin zur Wirtschaftlichkeit und Kostensteuerung. Denn die Rolle der HWL wird sich dahingehend ändern, dass sie als Managerin die Hauswirtschaft in der Altenpflege wirtschaftlich erfolgreich und qualitätsgesichert ausüben und gestalten wird.
Es gibt einen Mangel an Hauswirtschafterinnen – kann die ALTENPFLEGE etwas zur Behebung bzw. Förderung des Berufszweigs beitragen?
Die Messe kann der Hauswirtschaft die Aufmerksamkeit geben, die sie verdient. Dies wird zum Beispiel im Karrierecenter deutlich, wo Jobsuchende und Anbieter zusammenkommen. Auch einzelne Themenblöcke auf der ALTENPFLEGE Connect widmen sich der Herausforderung, wie innovatives Personalmanagement aussehen kann, um dem Mangel zu begegnen.
Die Messe-Veranstalter stellen fest, dass es einen Trend zur Eigenwäscherei gibt. Warum?
Ja, nach unseren Erkenntnissen ist der Trend zum In-Sourcing ungebrochen, denn die Eigenwäscherei gilt als wichtiger Qualitäts- und Wettbewerbsfaktor. Das Ergebnis des Investitionsbarometers Altenpflege 2018 im Vorfeld zur Messe zeigt, dass der zunehmende Trend zur Eigenwäscherei besonders bei großen Trägern zu einem Investitionsbedarf in Hauswirtschaftslösungen führt. Es belegt, dass 68 Prozent der großen Pflegeanbieter bei komplexen Wäschekreisläufen immer stärker auf Eigenwäscherei setzen – besonders bei der Bewohnerwäsche. Zudem rechnen 65 Prozent der Anbieter damit, dass sich Investitionen in die Hauswirtschaft durch steigende Kundenzufriedenheit bezahlt machen. Und für 64 Prozent der Anbieter ist eine Eigenwäscherei ein wichtiger Qualitäts- und Wettbewerbsfaktor. Martina Schäfer, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft (BAG-HW), bestätigt uns diesen Inhouse-Trend, indem sie sagt, dass die nötige Kommunikation und das Beschwerdemanagement mit einem externen Dienstleister viel Zeit und Nerven raube und somit der entlastende Effekt eines Outsourcings deutlich geschmälert sei.
Welches Argument hat beim Thema Eigenwäsche für Sie tragende Bedeutung?
Auch für mich steht sowohl der Qualitätsaspekt im Vordergrund als auch der Wettbewerbsaspekt. Mit Qualität meine ich die Schnelligkeit der Wäscheversorgung und die Bewohnerzufriedenheit. Wenn beispielsweise ein Wäschestück mal fehlt, kann in der hauseigenen Wäscherei viel schneller reagiert werden. Zudem glaube ich, dass die Mitarbeiter einer Einrichtung aufgrund ihrer Professionen unterschiedliche Vorstellungen bzw. Ziele eines gut funktionierenden Wäschekreislaufs haben. Die hauswirtschaftliche Führungskraft kann hier mit ihrem Wissen und der Erstellung eines effektiven Wäschemanagements deutlich punkten.