Interview Neugebauer: Optik und Haptik gewinnen in Seniorenheimen immer mehr an Bedeutung

Ursula Neugebauer, Vizepräsidentin des Berufsverbands Hauswirtschaft.

Wie Textilien den Alltag von Heimbewohnern verändern können und welche Zusammenhänge zwischen Textilien und Waschen beachtet werden sollen – auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes – darüber berichtet Ursula Neugebauer im zweiten Teil des Interviews. Sie ist Vizepräsidentin des Berufsverbands Hauswirtschaft und beim Textilhersteller Kettelhack im Bereich Marktdialog tätig.

Sie sprachen es letztens an: Es gibt einen Trend zu mehr Wohnlichkeit in Seniorenheimen. Was ist der Grund dafür, dass solche Wohlfühlfaktoren auch in Heimen immer mehr Bedeutung gewinnen?

Ursula Neugebauer: Vor einiger Zeit gewann man in Seniorenheimen noch oft den Eindruck, dass Bewohner oder Bewohnerin ihre Zimmer aktiv und individuell gestalteten. Das ändert sich derzeit fühlbar. Heute geht man so spät wie möglich ins Altenheim und ist oft nicht mehr in der Lage sein Zimmer aktiv zu gestalten. Hinzu kommt, dass es oft auch keine Angehörigen mehr gibt oder, wenn vorhanden, kein Interesse besteht, hier zu unterstützen. Umso wichtiger ist es dann, dass die Einrichtung selbst für eine Wohlfühlatmosphäre sorgt. Allerdings beschäftigen sich viele Innenarchitekten auch heute noch nicht so sehr um das Interieur eines Altenheims. Viele Planer denken oft nicht bis zum Ende und man stellt dann relativ spät fest, dass man sich um die textile Ausstattung nicht gekümmert hat. Dann werden oft Artikel gekauft, die für Krankenhäuser konzipiert wurden. Das Altenheim ist aber das zu Hause und sollte auch so gestaltet werden. Hier sollten sich die Einrichtungen das Wissen Ihrer Hauswirtschaftsleitung zu Nutze machen. Oft werden auch Regularien wie Hygienevorschriften oder Kriterien der Risikovermeidung vorgeschoben, um zu begründen, warum ein Wohnheim-Zimmer nicht wie zuhause eingerichtet werden kann. Aber es gibt mittlerweile viele kreative Ideen, die den Vorschriften genüge leisten, aber trotzdem dem Wunsch nach Behaglichkeit entsprechen.

Haben Sie Beispiele dafür, was heute anders gemacht werden könnte und wird?

Ursula Neugebauer: Es muss zum Beispiel nicht überall PVC – oder ähnliche Materialien – verlegt werden, gerade große Räume wirken dadurch sehr steril. Es gibt auch Bereiche im Seniorenheim, die mit Teppichen – wie daheim im Wohnzimmer – ausgelegt werden könnten. Und um ein Stolperrisiko zu vermeiden, senkt man den Teppich einfach ab. In Aufenthaltsräumen sollte auch darauf geachtet werden, dass Geräusche gedämpft werden. Dies kann durch sogenannte Schallschutzbilder erreicht werden.
Zu den Wohlfühlfaktoren gehört insbesondere die Bettwäsche. Steril wirkende oft auf Weiß basierende Dessins (Muster) sind Krankenhaus-Bettwäsche. 365 Tage lang im Jahr aufgezogen – das hat wenig mit Zuhause zu tun. Dagegen vermitteln farbige Bezüge Normalität. Es freut jeden, in ein frisch bezogenes Bett zu steigen. Doch solche Gefühle kennt man in vielen Heimen gar nicht mehr, weil das Bett jeden Tag gleich aussieht. Natürlich sollte bei der Auswahl nicht allein die Optik den Ausschlag geben, auch Qualitätskriterien wie Grammatur, Mischverhältnis von Baumwolle und PES sind beim Wäschekauf zu beachten, schließlich ist die Beanspruchung der Wäsche um ein Vielfaches höher als im privaten Haushalt.

Welche Kriterien sind denn beim Bettwäschekauf zu beachten?

Ursula Neugebauer: Bettwäsche im Pflegeheim muss verschiedenen Kriterien Stand halten:
Sie muss desinfizierend waschbar sein. Das erfolgt heute i. d. R. chemisch-thermisch bei um die 70° Celsius. Sie muss die starke mechanische Beanspruchung einer Großwäscherei aushalten. Dort werden immer noch Pressen zur Entwässerung genutzt, die der Wäsche nach dem Waschen das Wasser mit hohen Druck entziehen. Eine gute Einfärbung der Ware ist wichtig, da die chemische Belastung durch die Desinfektionsmittel deutlich höher ist als im privaten Sektor. Auch die Wäschemenge entscheidet mit über die Haltbarkeit der Bettwäsche. Häufig wird viel zu wenig gekauft und man wundert sich über Versorgungsprobleme und geringe Haltbarkeit. Neben den Stoffqualitäten spielt aber auch die Konfektion und die Konfektionsart (Hotelverschluss ohne Knöpfe oder Reißverschluss) eine wichtige Rolle. Nähte sollten gesichert sein, Garnqualität gut und die Stichgröße nicht zu lang sein. Eine gute Hauswirtschafterin prüft auch die Innenseite. Bei geringer Qualität und zu knapp bemessenen Umlaufmengen muss oft schon nach eineinhalb Jahren schon wieder nachgekauft werden. Da lohnt auch kein günstiger Preis.
Objekttextilien sind dagegen an diese Herausforderungen angepasst. Sie bestehen aus hochfunktionellen Materialien, die für alle notwendigen Waschprozesse geeignet sind – sei es für die Waschschleudermaschine im Haus, sei es für die große Waschstraße und die Presse.

Welche Empfehlungen geben Sie Hauswirtschafterinnen beim Bettwäschekauf?

Ursula Neugebauer: Ich empfehle immer Mischgewebe. Ich würde nie auf reine Baumwolle setzen. Zum einen ist Mischgewebe viel benutzerfreundlicher, sprich leichter für die Pflege aufzuziehen und zum anderen hält die Ware länger. Reine Baumwolle klebt durch das Mangeln zusammen und benötigt viel körperliche Kraft, um sie auseinanderzuziehen und zu handhaben. Bei Mischgewebe tritt dieser Effekt i.d.R. nicht auf. Die Beimischung einer Kunststofffaser macht die Wäsche langlebiger, sie lässt sich besser mangeln und trocknen.
Auch das Gewicht, der Fachmann spricht von Grammatur, ist von Bedeutung. Es beeinflusst nicht unerheblich die Lohnkosten für die Fremdwäscherei oder die der eigenen Wäscherei.
Bei allen praktischen Erwägungen muss die Wäsche aber auch gefallen und sollte der privaten Wäsche an Schönheit nicht nachstehen. Sie sollte harmonisch zum Interieur passen. Schönheit und Objekttauglichkeit müssen immer zusammen berücksichtigt werden.

Angesichts von Insektensterben und Naturzerstörung sind heute weite Teile der Gesellschaft an Umweltschutz und Ökologie interessiert. Das Unternehmen, in dem Sie arbeiten, hat sich ein Umweltmanagementprogramm gegeben und ist EMAS* – zertifiziert. Wird Ihr Engagement von den Einkäufern auch honoriert?

Ursula Neugebauer: Kettelhack ist hier einer der Vorreiter. So beschäftigen wir eine engagierte Nachhaltigkeitsmanagerin, die den Prozess hervorragend leitet. Im Bereich der Objekt-Bettwäsche gibt es sehr wenige Anbieter, die sich an ökologischen Kriterien orientieren. Das liegt nicht unbedingt am fehlenden Willen, sondern vielmehr am Markt. Der Bettwäschemarkt im Pflegesektor ist ein sehr preisorientierter Markt – besonders im Krankenhausbereich. Kostendifferenzen von oft nur wenigen Cents sind Kaufentscheidend, da aufgrund des Massenumschlags etwa in einem Krankenhaus, auch wenige Cents einen relativ großen Effekt ausmachen. Produkte, die aus fair gehandelter Baumwolle unter fairen Bedingungen genäht werden sind einfach teurer. Dann fällt die Entscheidung eben oft auf das klassische Produkt, statt auf die Wäsche aus ökologischem Anbau. Dabei geht es ja nicht allein um die Pflanzung, sondern um den ganzen komplexen Prozess: vom Anbau über die Ausrüstung und das Nähen – von wem? zu welchem Preis? – bis hin zur Logistik. Im Bereich der Berufsbekleidung haben wir bereits ein Kooperationsprojekt mit Öko-Bekleidung durchgeführt. Da ist der Markt schon etwas sensibilisierter; auch fordern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Verantwortlichen auf verantwortungsbewusst einzukaufen.
Im Bereich Bettwäsche arbeitet Kettelhack derzeit ganz aktiv daran, einen Projektpartner zu finden. Wir haben die Stoffe und die Nähbetriebe, aber wir brauchen auch den Markt! Wir hoffen hier z.B. auf die Kirchen, die für faire Märkte und Gerechtigkeit einstehen wollen. Durch die Produktion in Deutschland können wir auch ohne Zertifizierung schon Nachhaltigkeit konsequent abbilden: bei uns sind alle Prozesse staatlich reglementiert, unsere Abwasserprozesse werden ständig kontrolliert, die Zulieferer und deren Produktionsbedingungen sind schon seit Jahren bekannt…

Und wie reagieren Heime und Hauswirtschaftsleiterinnen auf das Thema Nachhaltigkeit?

Ursula Neugebauer: Grundsätzlich ist der Beruf des Hauswirtschafters bzw. der Hauswirtschafterin ein nachhaltig aufgestellter Beruf. Wir arbeiten wirtschaftlich, wir sind es gewohnt, darüber nachzudenken, welche Mengen wir brauchen. Wir kalkulieren so, dass nichts weggeworfen werden muss. Wir kaufen in der Regel Produkte, die wiederaufbereitet werden können etc.
Wenn man so will, ist Nachhaltigkeit das Urprinzip unseres Berufes. Trotzdem wird Ökologie oft noch unter dem Preisaspekt betrachtet – und hier ist das Korsett auch in den Heimen eng. Zusätzlich stehen die Führungskräfte heute unter dem großen Druck des Fachkräftemangels. Neuen Zahlen der Bundesagentur der Arbeit zufolge waren 2018 allein 40.000 Pflegestellen nicht besetzt. Der Beruf soll laut Minister Spahn durch bessere Entlohnung wieder attraktiver werden. Das muss aber dann auch für die Hauswirtschaft gelten. Denn die Hauswirtschaft ist neben der Pflege die Hauptsäule eines Altenheims. Und der Fachkräftemangel ist auch in der Hauswirtschaft angekommen.
Ich bin optimistisch, dass wir auch in diesem Punkt vorankommen und Nachhaltigkeit in allen Bereichen, bei der gerechten Entlohnung aller Mitarbeiter, und nicht nur der Pflege, bis hin zu einem zwar preisbewussten aber auch nachhaltigem Einkauf von Wäsche realisieren werden. Faire Bedingungen müssen für alle und in allen Bereichen gelten!

* EMAS Eco-Management and Audit Scheme

Ende

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