Was steckt hinter der neuen Norm DIN EN 15224:2012

Ein Interview mit Thomas Leucht, dem Geschäftsführer der Weber & Leucht GmbH, einem Entwicklungs- und Prüflabor für Textilien, gibt Aufschluss darüber. Seine Empfehlung an Wäschereien ist, sich mit der Norm und der Zertifizierung zu beschäftigen.

Was besagt die neue EU-Norm DIN EN 15224?

Thomas Leucht: DIN EN 15224 beschreibt ein Qualitätsmanagementsystem im Bereich der Gesundheitsversorgung. Damit wird die hier bisher angewandte „Mutter aller Managementnormen“ ISO 9001 erweitert, die eigentlich für Fertigungsbetriebe geschaffen wurde und andere Leistungen nicht ideal abbildet. DIN EN 15224 kann von allen Organisationen und Unternehmen eingesetzt werden, die Dienstleistungen im Gesundheitssektor erbringen – zum Beispiel Pflegeheime, Krankenhäuser und Rettungsdienste. Sie enthält insgesamt elf Qualitätsmerkmale, die von akkreditierten Stellen begutachtet werden. Dazu gehören unter anderem eine angemessene Versorgung, eine hohe, kontinuierliche Verfügbarkeit, hohe Wirksamkeit, Effizienz und eine grundsätzlich auf die Unversehrtheit des Patienten abzielende Versorgung. Die Norm schließt als europaweit gültiges Gesamtsystem eine bedeutende Lücke und sorgt für mehr juristische Sicherheit in Qualitäts- und Haftungsfragen.

Thomas Leucht, Geschäftsführer der Weber & Leucht GmbH
Thomas Leucht, Geschäftsführer der Weber & Leucht GmbH

Welchen Status hat die Norm aktuell?

Thomas Leucht: DIN EN 15224 wurde bereits 2012 vom Deutschen Institut für Normung angenommen und veröffentlicht, findet aber erst seit kurzem Anwendung. Seit Anfang dieses Jahres können sich Zertifizierungsstellen akkreditieren lassen, damit sie Organisationen im Gesundheitsbereich auf Einhaltung der Norm prüfen und entsprechende Zertifikate ausstellen können. Natürlich ist die Einhaltung der neuen Norm keine Pflicht, sorgt aber für einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil für zertifizierte Organisationen oder Unternehmen. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die ersten Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Arztpraxen zertifiziert werden.

Wie passt DIN EN 15224 in das große Rahmenwerk von Hygiene und Maschinen?

Thomas Leucht: Die neue Norm erstreckt sich auch auf technische Infrastrukturen – unter anderem betrifft sie auch Wäschereien, die ausdrücklich genannt werden.

Welche Auswirkungen hat die neue Norm für die bestehenden Konzepte für hygienisches Waschen in Pflegeheimen?

Thomas Leucht: Waschprozesse sind Teil der Risikobetrachtung. Die Norm erfordert eine Risikobewertung des gesamten Prozesses – vom Ablauf der Waschvorgänge über die eingesetzten Wasch-Chemikalien bis hin zur Trocknung und Lagerung der Wäschestücke. Hier gilt es unter anderem, reine von unreinen Bereichen zu trennen, damit verschmutzte Wäsche nicht mit sauberer Wäsche in Berührung kommt. So soll Verkeimungen und anderen Hygieneproblemen konsequent und wirksam vorgebeugt werden. Es ist empfehlenswert, den gesamten Waschprozess mittels lückenloser Betriebsaufzeichnungen zu dokumentieren, um Nachweise vorhalten zu können

Wie sehen die Folgen für externe Wäschereibetriebe aus?

Thomas Leucht: Die Anforderungen an Wäschereibetriebe gleichen denen für hygienisches Waschen vor Ort. Allerdings: Diese Unternehmen müssen den Anforderungen verschiedenster Kundengruppen wie Hotels, lebensmittelverarbeitende Betriebe und eben auch medizinische Einrichtungen gerecht werden. Das erschwert die Risikobetrachtung.

Ist es sinnvoll, sich bereits jetzt auf die neue Norm einzustellen?

Thomas Leucht: Absolut. Ich vermute, dass die ersten Betriebe in Kürze zertifiziert sein werden.

Wie lautet Ihre Empfehlung?

Thomas Leucht: Wer sich vorbereiten und am Markt konkurrenzfähig bleiben will, muss sich zwangsläufig mit der neuen Norm beschäftigen. Das gilt auch und gerade für Wäschereien, die bereits heute in der Lage sein sollten, wichtige Nachweise bereitzustellen – ein entscheidendes Kompetenzmerkmal. Nur so können sich deren Auftraggeber auf Waschprozesse berufen, die den Anforderungen der DIN EN 15224 entsprechen. Ein individuell auf den eigenen Betrieb abgestimmtes Qualitätsmanagementsystem ist unabdingbar.